Göcklingen und seine 100-Jährigen
oder
das Eingangstor in die Geschichte
"Ein hohes Alter" erreichen wollen die meisten der jungen Menschen, wobei der Begriff nicht eindeutig definiert werden kann. Bei 100 Lebensjahren spricht man guten Gewissens von einem "biblischen Alter". Lebensumstände, Medizin, Gesundheitsvorsorge und viele weitere Faktoren führen zu einem immer höheren Lebensalter.
Obwohl in Göcklingen nicht nur alte oder ältere Menschen wohnen, ist es erstaunlich, dass in den letzten 35 Jahren drei Personen einhundert Jahre oder älter wurden. Ob sie ihr Leben lang Göcklinger Luft einatmeten oder nur während ihrer Kindheit und Jugend hier lebten, beziehungsweise ab dem mittleren Lebensalter ihr Dasein in dem schmucken Weinort verbrachten und dies der Grund ihres hohen Alters war, ist nicht näher untersucht.
Familienstand und Geschlecht scheinen nicht ursächlich für ihr Alter verantwortlich zu sein; denn es findet sich unter den 100-Jährigen zwei Frauen, eine Witwe, eine Ordensfrau und ein verheirateter Mann.
Dieser, namens Walter Hundt war der Jüngste unter den Dreien. Am 21.
Dezember 1914 wurde er in Groß-Trensen in Ostpreußen geboren. Zu
Kriegsbeginn 1939 wurde er bei der Wehrmacht als Soldat in Polen, später
in Italien eingesetzt, wo er eine Kriegsverletzung erlitt. Diese
Verwundung sollte eine große Bedeutung in seinem Leben haben. Er lernte
im Lazarett die Krankenschwester Anneliese Huber aus Annweiler, - seine
erste Frau - kennen. So kam Walter Hundt in die Pfalz. Das Glück war
leider von kurzer Dauer. Seine Frau verstarb 1972. Im Jahr 1978
heiratete Hundt die Göcklinger Witwe Gisela Nuß und verbrachte seinen
Lebensabend glücklich mit ihr in Göcklingen. Am 21. Dezember 2014 durfte
der Jubilar seinen 100. Geburtstag in geistiger und körperlicher Frische
feiern. Der frühere selbständige Schneidermeister und rüstige und
humorvolle Rentner Zitat: "Es gibt mehr alte Raucher als alte Ärzte"
bewirtschaftete noch mit 95 Jahren seinen Garten.
Als hätte Walter Hundt nur auf seinen 100. Geburtstag gewartet, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand im Frühjahr 2015 zusehends. Am 3. Juli 2015 gab er seine Seele in die Hände seines Schöpfers zurück, dem er insgesamt 30 Jahre als Presbyter diente, was seine christliche Gesinnung unterstreicht.
Katharina Thibaut geb. Heider ist am 16. Februar 1912 in Göcklingen
geboren hier aufgewachsen und lebte bis zu ihrem Tod in ihrer
Heimatgemeinde. Zusammen mit zwei Brüdern und drei Schwestern stammte
sie aus bescheidenen Verhältnissen, erlebte zwei Weltkriege und stand
bis zu ihrem Tod in Verantwortung. 1937 erlernte sie den Beruf der
Krankenschwester und übte ihn bis zum Rentenalter im Jahr 1974 nach
mehreren erfolgreichen Prüfungen als Dienststellenleiterin im heutigen
Pfalzklinikum aus. 1940 heiratete sie den Landauer Karl Jakob Thibaut.
Aus der Ehe ging der Sohn Horst hervor, der jedoch seinen vermissten
Vater niemals kennen lernte. Für die allein erziehende Mutter war die
Ungewissheit über das Verbleiben ihres verschollenen Mannes ein harter
Schicksalsschlag, der ihr weiteres Leben prägte. Resolut, kämpferisch
und energisch waren die Attribute ihres Lebens, das sie auf eigene Weise
meisterte. Noch mit 95 Jahren setzte sie sich selbst ans Steuer, nachdem
sie die Fahrerlaubnis erst in ihrer zweiten Lebenshälfte erworben hatte.
Ihre Selbständigkeit bewahrte sie sich bis zum Lebensende. Sie war noch
ihre eigene Köchin und Reinigerin und ließ sich nur ausnahmsweise von
Bekannten helfen. Am 17. September2012 hat Frau Thibaut plötzlich und
unerwartet für immer die Augen geschlossen.
Die Dritte im Bunde der 100-Jährigen oder älteren Göcklingern war Frau
Maria Dillmann, die als Ordensschwester bei dem Orden der "Armen
Franziskanerinnen von Mallersdorf den Namen "Schwester Maria Vestina"
erhielt. Sie war die älteste von drei Schwestern und wurde am 21. April
1879 in Göcklingen geboren. Mit 21 Jahren folgte sie dem Ruf ihres
Herzens, verließ ihr Elternhaus und trat in den vorgenannten Orden ein.
Nach ihrer ersten Station in Regensburg wurde Schwester Vestina nach
Hemau / Oberpfalz versetzt. Als Oberin leitete sie dort 32 Jahre lang
ein Waisen-Kinderheim mit bis zu 120 Kindern. Mit 78 Jahren hat sie die
Leitung des Heimes in jüngere Hände gelegt. Doch sie war immer mit
Göcklingen verbunden. Solange sie reisen konnte, verbrachte sie ihren
Heimaturlaub an der Südlichen Weinstraße. "Göcklingen ist doch meine
Heimat" gestand sie ihren Verwandten einmal. Als sie an ihrem 100.
Geburtstag geehrt wurde - sie war Ehrenbürgerin der Stadt Hemau -
stellte man ihr auch die Frage was sie so lange fit hält. Darauf
antwortete sie ohne zu zögern: "Die Kraft von oben und der Pfälzer
Wein". Sie trank nämlich jeden Tag ein Gläschen Wein, der ihr von den
lieben Verwandten geschickt wurde. Die betagte Frau war nie krank, nahm
keine Tabletten und wollte auch im hohen Alter nicht ins Mutterhaus
zurück. "Hier habe ich meine Aufgabe und meine Erfüllung gefunden" sagte
sie. Für drei Tage brachten sie ihre Mitschwestern einmal in eine Klinik
mit dem Vorwand zur Beobachtung, aber nur deshalb, damit sie in der
Zwischenzeit ihr Zimmer neu tapezieren konnten.
Am 2. September 1981 starb Schwester Maria Vestina Dillmann an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs. Mit 102 Jahren und 5 Monaten ging sie in Gottes ewigen Frieden ein.
Der Vollständigkeit halber ist noch folgende Ergänzung nachzutragen: Bei
Nachforschungen für sein Buch über Göcklingen stieß der Autor Pfarrer
Dr. Schirmer auf eine "Totenliste" . Danach starb am 15. November 1710
der Göcklinger Witwer Heinrich Kern, 100 Jahre alt. Dieses hohe Alter
war damals eine große Seltenheit. 100 Personen, die zwischen 1704 und
1738 starben , wurden nur 34,4 Jahre alt.
pkl